Warum „NEIN“ für Sie so wichtig ist

Vor kurzem besuchte ich ein Konzert. Die junge Sopranistin Julia Lezhneva sang Händel-Arien. Es war ein großartiges Konzert, die Sängerin fantastisch. Ich war sehr berührt und auch in den folgenden Tagen noch ganz beseelt von diesem wunderbaren Erlebnis. Dabei beschäftigte mich das Thema Grenzen setzen und „Nein“ sagen. Diese junge Sängerin hat in ihrem Leben schon oft nein sagen müssen. Ansonsten hätte sie niemals diese Stimme entwickeln können, ihren eigenen künstlerischen Ausdruck. Nein zu Unlust, nein zu Verabredungen mit Freunden, nein zu lautem Schreien, nein zu Disziplinlosigkeit, zu ungesundem Verhalten und und und. Dafür hat sie jedoch ein ganz starkes JA gesagt, zu sich, zu ihrem Talent, ihrem Können und ihren Überzeugungen und Zielen. So eine Stimme ist nicht unbegrenzt (!) belastbar. Sie lässt nur zwei bis drei Arien hintereinander zu. Danach braucht sie erst einmal eine Pause. Wenn es nach den Konzertbesuchern gegangen wäre hätte sie noch stundenlang weiter singen dürfen. Nehmen wir mal an, sie hätte nicht nein sagen können, weil sie dem Publikum einen Gefallen tun wollte oder dächte, man würde sie sonst nicht mögen oder weil „man eben macht worum man gebeten wird“. Wie lange könnte ihre Stimme das aushalten? Nein, sie muss ihre Grenzen respektieren und schützen. Damit sie uns mit ihrer Kunst noch lange so berühren kann.

 Warum ein ständiges Ja als Strategie nichts taugt Ja sagen blog

Vielleicht kennen Sie das ja auch: Sie haben Schwierigkeiten, „Nein“ zu sagen. Schon wieder haben Sie etwas zugesagt wozu Sie eigentlich keine Lust hatten oder eine Aufgabe übernommen, wofür Ihnen die Zeit fehlt. Immer wieder werden Sie um Hilfe gebeten. Und da Sie eine gute Freundin /ein guter Freund sein möchten sagen Sie natürlich Ihre Unterstützung zu. Schließlich ist Hilfsbereitschaft ein anerkannter Wert in unserer Gesellschaft. Fühlen Sie sich schlecht, wenn Sie sich auch nur vorstellen, „nein“ zu sagen? Gut, Sie sagen zu. Und weiter? Sie denken daran, was Sie eigentlich tun wollten und spüren den Druck Ihrer aufgeschobenen Arbeiten, die Sie nun in viel kürzerer Zeit erledigen müssen. Oder Sie legen eine Nachtschicht ein und schon bleibt weniger Zeit für Familie und Partnerschaft.
Wenn Sie meinen, noch einen zusätzlichen Auftrag annehmen oder dazwischen schieben zu müssen weil der Kunde sonst möglicherweise abspringt, machen Sie sich weiteren Stress. Wie werden Sie wohl diesen Auftrag ausführen? Mit Ihrer ganzen Kraft oder nur 50 %? Mit Freude und Spaß an der Arbeit oder begleitet von einem inneren Murren?

Wer NEIN sagt sagt JA zu sich selbst

Ihre Talente und Fähigkeiten sind kostbar. Sie haben sie bekommen um sie zu entwickeln und zu vervollkommnen. Nehmen Sie sie ernst. Ihre Kreativität, Ihre Kunst ist ein wertvolles Gut. Sie müssen es schützen. Ich sehe es so, letztlich ist es ein Geben und Nehmen. Wenn Sie sich Zeit für Ihre Kunst, Ihre Kreativität nehmen indem Sie Ihre Grenzen ernstnehmen und respektieren geben Sie den Mitmenschen etwas zurück. Nämlich Ihre Werke, Ihre schöpferischen Ideen.

Darum ist beides so wichtig

Zugehörigkeit und Abgrenzung sind zwei Seiten einer Medaille und in ihrem Wirken ziemlich archaisch.Die Zugehörigkeit gibt uns Sicherheit. Jeder gehört zu einer Familie, einem Wohnort, einer Arbeitsgruppe oder was auch immer. Wenn wir diese Zugehörigkeit verlieren oder sie selbst kappen droht großes Unheil. Weil Zugehörigkeit viele Bereiche betrifft, den sozialen ebenso wie den physischen und den psychischen. Bei vielen Herdentieren kann man beobachten, dass Ausschluss aus der Gemeinschaft den sicheren Tod bedeutet.
Gleichzeitig dient die Abgrenzung dazu, die eigene Individualität auszubilden und zu zeigen. Das ist eine Entwicklung, die niemals abgeschlossen wird. Wir werden immer mal wieder herausgefordert, uns weiter zu entwickeln, auf höherer Ebene weiter zu machen.Um dazuzugehören müssen wir uns auch abgrenzen.

Es ist auch Ihre Lebenszeit

Wenn Sie bei sich feststellen, dass Sie viel zu oft Ja und zu wenig Nein sagen habe ich folgende Tipps für Sie:

  1. Um Grenzen zu setzen müssen Sie sie erst einmal kennen. Seien Sie also achtsam mit sich selbst.
  2. Folgen Sie Ihrem ersten Impuls: was geht Ihnen im Kopf herum wenn jemand mit einem Anliegen an Sie heran tritt? Sagt der Bauch ja, nein oder vielleicht? Nehmen Sie dieses Gefühl ernst.
  3. Sie werden immer wieder um Hilfe gebeten. Ist das wirklich so? Seien Sie wirklich ehrlich zu sich und beantworten Sie die Frage, ob Ihnen das vielleicht gefällt. Brauchen Sie das Gefühl, gebraucht zu werden?
  4. Was wäre, wenn Sie nicht mehr so häufig gefragt würden? Was würde Ihnen fehlen?
  5. Könnte es sein, dass man Sie fragt, weil Sie immer Ja sagen? Das ist bequem für Andere. Aber nicht für Sie. Dazu kommt, dass ein Dauereinsatz häufig nicht wirklich wertgeschätzt wird.
  6. Was würde passieren, wenn Sie Nein sagen? Sie werden feststellen, dass die meisten Menschen das respektieren. Und warum sollten Sie mit Menschen befreundet sein, die das nicht akzeptieren?
  7. Wenn Sie Ja sagen, dann erfüllen Sie Ihre Zusage mit vollem Engagement.
  8. Wenn Sie Nein sagen, rechtfertigen Sie sich nicht. Sagen Sie ganz klar, dass Sie leider nicht helfen können. Es kommt hier auf das Wie an, nicht auf das Warum.
  9. Halten Sie sich immer wieder vor Augen: Es ist Ihre Lebenszeit, die abläuft. Sie entscheiden, was Sie damit machen.

Bis zum nächsten Werkstattgeplauder

Ihre Elke Möckel