Unter den Teppich gekehrt? Konflikte als Chancen

„In der Ehe ist der gelegentliche Streit sehr nützlich: Dadurch erfährt man etwas voneinander.“ Meint Goethe…

Es ist ja dauernd was. Immer haben die Menschen irgendein Problem mit jemandem oder etwas. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, wenn man sich zum Beispiel über die Rücksichtslosigkeit oder Unverschämtheit seiner Mitmenschen ärgert.
Oft aber sind wir mit ernsthafteren Konflikten konfrontiert. Und was dann? Vielleicht sind wir geneigt, sie unter den Teppich zu kehren, meist bei besonders hartnäckigen Problemen. Nur, das hilft nichts. Weil das Thema des Konflikts dadurch nicht beseitigt ist wird es uns immer wieder im Leben begegnen. Möglicherweise in einer anderen Form, aber es wird uns mit Sicherheit aufs neue präsentiert. Der Berg unter dem Teppich wird immer größer, so lange bis wir darüber stolpern und den Konflikt nicht mehr so einfach ignorieren können. Da bekommt der Eine ein schwerwiegendes körperliches Problem, der Andere einen Burnout oder andere Symptome zwingen ihn zum hinschauen.

ohrreinigung blogDafür hab ich jetzt keine Zeit

Zugegeben, ein Konflikt kann ziemlich zeit-und energieraubend sein. Wir haben keinen Nerv, uns mit dem Thema oder dem Menschen auseinanderzusetzen. Schließlich haben wir jede Menge anderer Dinge zu erledigen. Wichtigere, dringendere. Scheinbar. Dafür hab ich jetzt keine Zeit ist ein häufiges Argument. Es stimmt schon, sich dem Konflikt wirklich zu stellen kann ziemlich viel Zeit und Nerven kosten. Der Preis, es nicht zu tun ist aber sehr hoch. Ein Konflikt hat immer auch mit mir selbst zu tun und liefert wertvolle Erkenntnisse.
Es ist doch auch so: nicht jeder Konflikt lässt sich lösen. Manchmal geht es vor allem darum, mit den Eigenarten des Mitmenschen anders umgehen zu können und damit ein harmonischeres Zusammenleben zu ermöglichen. Beiderseits.
Meiner Erfahrung nach ist es vorrangig die eigene innere Haltung, die zur Lösung des Konflikts beiträgt. Mich hat dabei der wunderbare Marshall Rosenberg mit seiner Gewaltfreien Kommunikation (GfK) begeistert und überzeugt. So einfach! Und so schwer zu machen.
Vor einiger Zeit unterhielt ich mich mit einer Freundin über das Thema Konflikte. Da fiel mir wieder Rosenberg mit seinen Handpuppen –Wolf und Giraffe- ein. Ich konnte mich noch genau an das eine Mal erinnern wo es mir tatsächlich gelungen war, im Sinne der GfK zu handeln. Das war eine beeindruckende Erfahrung für mich, denn sie hat mich davon überzeugt, wie wichtig, hilfreich und effektiv diese Art der Kommunikation ist. Sogar wenn der Andere davon gar nichts weiß. Die vier Schritte der GfK sind:

  1. Beobachtung (ohne Gedanken)
  2. Gefühl (ohne Wertung)
  3. Bedürfnis (ohne Taktik)
  4. Bitte (ohne Erwartung auf Erfüllung)

Da muss man erst mal hinkommen! Aber es lohnt sich. Mein gelungenes Gespräch hatte zur Folge, dass sich diese Person zum ersten Mal wirklich ein Stück öffnen konnte. Und ich muss zugeben, es ging um ein sehr sehr heikles Thema in der Familie, das seit vielen Jahrzehnten alle belastet. Mit dieser Herzensöffnung ging einher, dass ich einen Einblick bekam, was diesen Menschen bewog, sich so zu verhalten, welche Ängste, welcher Schmerz und welche Hilflosigkeit sich hinter dem Verhalten verbarg, das für alle eine Herausforderung bedeutet.
Ich bin davon überzeugt, dass wir alle an Konflikten wachsen und reifen können. Wenn wir es in der Kindheit nicht gelernt haben, damit umzugehen stehen wir vor der Aufgabe, es später nachzuholen. Denn Konflikte lauern immer und überall. Ich betrachte es wie einen Muskel den man trainieren kann.

Ich bin besser als du

Was gar nicht geht ist, sich über den Anderen zu stellen. Das ist gar nicht so einfach, wenn wir uns nur vor Augen führen wie mit der Flüchtlingsproblematik umgegangen wird. Da wird mit den Fingern auf die Flüchtlingsgegner gezeigt, nach der Devise „Das sind alles dumme Menschen, Unterschicht.“, ja, es wird sogar von „Pack“ gesprochen. Ich halte solche Aussagen für hochgefährlich. Zumal sie den Konflikt ja nicht lösen. Wir leben glücklicherweise in einer Demokratie und müssen anderen Meinungen aushalten und uns damit auseinandersetzen, auch wenn es schwer fällt. Auch daran können wir wachsen. Sollten wir wachsen. Das gilt auch für alle anderen Konflikte. Wir können sie nur auf Augenhöhe wirklich angemessen lösen.

In diesem Sinne danke ich Christina Wenz für ihre Anregung zur Blogparade, denn das Thema „Konflikt als Chance“ bewegt mich persönlich und auch in meiner Arbeit immer wieder.

Bis zum nächsten Werkstattgeplauder grüßt Sie herzlich

Ihre Elke Möckel