Die Perfektionismusfalle

„Wie lange willst du denn noch an deiner neuen Webseite rumschrauben?“ Fragt mich eine Freundin, der ich mein Leid klage, weil ich immer noch nicht weiter gekommen bin. Ich bin einfach unzufrieden mit meinen Texten für die Seite, die mir nie aussagekräftig genug erscheinen. Frage ich Bekannte nach ihrer Meinung kristallisiert sich ganz klar heraus, dass sie nicht nachvollziehen können was mich eigentlich hindert, die Texte endlich online zu stellen. „Ich verstehe gar nicht was du hast, das sind doch tolle Texte! Ich fühle mich da total angesprochen. Und so schön formuliert.“ Und eine Marketingexpertin schreibt mir ganz verwundert, sie hätte nach meiner Schilderung was ganz furchtbares erwartet, aber meine Entwürfe seien durch die Bank gut formuliert. Und wenn ich später was ändern wolle könne ich das doch jederzeit machen. Und da gehen alle Alarmglocken an – ich bin wieder mal in meine eigene Perfektionismusfalle getappt.

Anspruch oder Verhinderung

Foto Baustelle blogKunst und Kreativität brauchen Leichtigkeit, brauchen die Lust am Spiel. Das Unperfekte lebt, atmet, spricht mit uns. Wer perfekt sein will dreht, wie ich, jedes Wort, jedes Komma, jede Formulierung so lange hin und her und verwirft alles doch wieder. Oder er übt und übt und übt immer wieder dieselbe Stelle eines Musikstücks bis jede Inbrunst abgetötet ist. Der Tänzer meint, er müsse diese und jene Schrittfolge perfekt drauf haben, sonst würde das Publikum ihm nicht applaudieren. Allen ist gemeinsam, dass wir nach dem Effekt unserer Kreation schielen, nach der Beurteilung durch andere. Und dabei verlieren wir den Spaß am Entstehungsprozess unseres Werkes, wir vergessen, ja wir verraten unsere eigene Idee, unser Ich. Perfektionismus lähmt uns, weil er immer nach dem Misslungenen sucht und uns damit selbst ein ungutes Gefühl verursacht. Und das steht im krassen Gegenteil zu dem, was Perfektionismus vorgibt zu wollen- die Suche nach dem Vollkommenen. Er gaukelt uns unter dem Vorwand der Bescheidenheit vor, das was wir da kreiert haben sei dilettantisch und unbrauchbar.

Und was nun?

Die Perfektionismusfalle schnappt zu wenn wir meinen, unser Werk sei nicht gut genug. Sobald wir diesen inneren Dialog führen sollten wir uns ganz schnell „Stop!“ zurufen. Ein Kunstwerk ist nie fertig. Der Prozess hört einfach an einem bestimmten Punkt auf. Es ist gut genug. Wir haben unser Bestes für jetzt gegeben. Wir beenden unser Projekt an einem bestimmten Punkt und lassen es dankbar los. Und dann beginnen wir ein neues.

Wann sind Sie das letzte Mal in die Perfektionismusfalle getappt?

Ich bin neugierig auf Ihre Erfahrungen.

Ihre Elke Möckel

P.S. Die Texte für meine Webseite sind seit einiger Zeit online. Sie sind nicht perfekt, aber ich habe mir selbst gestattet, sie so zu veröffentlichen.