Verdammt ich lieb dich, ich lieb dich nicht

Wie ein Häufchen Unglück saßen sie vor mir. Kurz vor dem 25-jährigen Jubiläum schien ihre Ehe am Ende zu sein, die Liebe ausgelebt. Was war passiert? Im Grunde nichts Besonderes. Sie hatten sich kennengelernt, geheiratet, eine Familie gegründet, sich den Kindern und der Karriere gewidmet und ein eigenes Nest gebaut. Nach und nach zogen die Kinder aus und gingen ihre Wege allein. Und jetzt plötzlich stellten sie fest, dass sie in den vergangenen 25 Jahren zwar miteinander älter geworden waren, über dem ganzen Alltag und den Sorgen über Kinder und Haus jedoch vergessen hatten, sich als Paar bewusst wahrzunehmen. Der Andere war ihnen fremd geworden. Sie stellten alles und ihre Partnerschaft im besonderen infrage.

So oder ähnlich hören sich viele Geschichten an mit denen meine Klienten in meine Praxis kommen. Es ist schon auffällig, dass sich Paare gerade in der Lebensmitte trennen. Ich habe mich gefragt, warum ist das so? Ich denke, wir haben es hier mit dem Abschluss einer Lebensphase zu tun. Das Gewohnte, Vertraute hatte seine Zeit und verabschiedet sich nun. Die Aufgaben wandeln sich. Nun stehen nicht mehr die Fürsorge um die Kinder und der Aufbau einer Existenz im Vordergrund. Viele Jahre lang galt diesen Belangen (fast) die gesamte Aufmerksamkeit.

Phänomen „Empty nest“

Einige meiner Klienten beschreiben diese Situation als ein Gefühl der Leere. Ein Schock. Sie sehen sich um, das Nest ist leer. Und was nun? Sie betrachten ihren Partner/ihre Partnerin und haben den Eindruck, sich nichts mehr zu sagen zu haben, keine Gemeinsamkeiten sind sichtbar, das Fundament scheint auseinander zu brechen. Die vielen Aufgaben, die die vergangenen Jahre bestimmt haben sind weggefallen. Die beiden haben mehr Zeit. Und fühlen womöglich Langeweile. Dazu kommt noch ein entscheidender Punkt: sie stellt vielleicht fest, dass er schon ein ziemliches Bäuchlein hat und er sieht ihre Falten und die nachlassende Spannkraft ihrer Haut.

Das ist häufig der Moment wo Paare meinen, sie müssten sich trennen. Und tatsächlich geschieht das oft. Ich bin allerdings überzeugt davon, dass das nicht zwingend sein muss. Zugegeben, es bedarf eines guten Willens, Zeit und beharrlicher Arbeit an der Partnerschaft.

Und jetzt: Werbung

Und dann die Medien! Was machen sie uns alles weis! Zeigen uns Menschen, die  fit, schön, erfolgreich und attraktiv sind. Und das in den besten Jahren! Jawohl, man hat uns als Zielgruppe jenseits der 49 entdeckt. Da sieht man z.B. einen jungen Mann, der seiner Mutter seine neue Freundin vorstellt. Und die junge Frau findet sie sofort sympathisch, weil die Mutter so jung aussieht! Nicht weil sie vielleicht etwas Besonderes kann oder dem jungen Mädchen offen und zugewandt begegnet. Nein, weil sie optisch was her macht. Kaum eine Zeitschrift, ein Online-Magazin das nicht strahlt vor lauter Leuten, die gaaaanz einfach ihr Leben im Griff haben, sich gesund ernähren, sportlich sind, alle ihre Ziele erreichen und mit einem herzlichen Lächeln fröhlich mit 80 ihren Ehepartner liebevoll umarmen und glücklich in den Sonnenuntergang reiten. Das macht Vielen Stress. Wir wollen genauso sein. Das Problem ist nur: NIEMAND, absolut niemand ist so! Also, befreien Sie sich von solchen Vorstellungen.

gefaehrtin-blog

10 Tipps, wie Sie eine Trennung vermeiden können

  1. Lassen Sie sich – und auch dem Anderen – genügend Zeit. Jeder hat sein eigenes Tempo.
  2. Verabreden Sie sich zu Gesprächen über Ihre gemeinsame Zukunft. Hören Sie vorurteilslos zu. Das ist manchmal etwas schwierig, schließlich kennen Sie sich ja schon so lange und meinen zu wissen, was der andere will. Notfalls vereinbaren Sie, dass jeder eine bestimmte Zeit sprechen darf ohne unterbrochen zu werden.
  3. Unternehmen Sie Dinge die Sie noch nie gemeinsam gemacht haben. Entdecken Sie ein neues gemeinsames Hobby oder finden Sie ein spannendes Ziel, an dem Sie zusammen arbeiten.
  4. Schwelgen Sie in Träumen. Was wollten Sie schon immer mal tun? Haben Sie eine Vision vor vielen Jahren begraben? Holen Sie sie heraus, jetzt sind die Bedingungen anders, möglicherweise ist es nun an der Zeit, sie umzusetzen. Eine Weltreise? Auf einem Hausboot leben? Eine eigene Firma gründen?
  5. Betrachten Sie einander genau. Was gefiel Ihnen an dem Anderen so sehr, dass dieser Mensch der einzige war, mit dem Sie Ihr Leben verbringen wollten? Woran erkennen Sie das auch heute noch? Finden Sie es heraus und sagen Sie es.
  6. Seien Sie ehrlich, rückhaltlos, zu sich selbst und dem Anderen. Was brauchen Sie, um miteinander das Abenteuer zu wagen, gemeinsam alt zu werden?
  7. Welche alten Vorstellungen und Überzeugungen müssen Sie über Bord werfen, damit eine erfüllende Partnerschaft gelingt?
  8. Die Einstellung zu Attraktivität ändert sich ebenfalls in der Lebensmitte. Was bedeutet Attraktivität für Sie jetzt? Was finden Sie besonders anziehend an Männern/Frauen? Was ist so reizvoll an Ihrem gereiften Gegenüber?
  9. Wie stellen Sie sich den „Rest“ Ihres Lebens vor? Sie haben schon so viel miteinander erlebt, wie können Sie Ihre neue Gemeinsamkeit SINNvoll gestalten?
  10. Versuchen Sie es mit Humor und nehmen Sie nicht alles bierernst. Gestatten Sie sich Irrtümer und Fehler. Sie üben ja schließlich noch. Wenn etwas nicht funktioniert probieren Sie etwas anderes.

Bei dem eingangs erwähnten Paar dauerte es etwa sechs Monate bis sich die ersten positiven Änderungen zeigten. Ein entscheidender Moment war, als sich beide entschlossen, ihr Haus zu verkaufen, in eine kleinere Mietwohnung zu ziehen und tauchen zu lernen. Dafür mussten sie einige Überzeugungen über Bord werfen. Dafür gewannen sie eine neue Sicht aufeinander. Das beschrieben sie als das Wertvollste.

Und wenn nichts hilft?

Bei anderen Paaren lautet die Entscheidung, sich dennoch zu trennen. Man hat sich auseinandergelebt und geht nun eigene Wege.
Für solche Paare habe ich ein eigenes Trennungsritual entwickelt. Es hilft dabei, sich in Achtung voneinander zu verabschieden, dankbar für die gemeinsame Zeit zu sein und ohne Altlasten in ein neues Leben zu gehen.

Jetzt ist die Reihe an Ihnen. Wie ist Ihre Erfahrung mit langjährigen Partnerschaften? Und welche Lössung haben Sie gefunden?

Bis zum nächsten Werkstattgeplauder

Ihre Elke Möckel